Damals, während des Studiums, musste ich zwei mal 2 Wochen Praktikum in einer Schule absolvieren. Die Studienordnung sah eines am Gymnasium und eines an einer anderen Schule vor.
Weitere Vorgaben oder begleitende Seminare gab es nicht.
Ich wollte schon damals gerne Lehrer werden. Ich wollte unterrichten. Aber es hätte auch niemanden gestört, wenn ich mit den Hausmeistern im Keller Karten gespielt hätte.
Das erste Praktikum war an einer Hauptschule, im Wesentlichen in einer 7. Klasse. Meine Lieblingsanekdote, zugleich der Tiefpunkt meines Lehrerlebens:
Ein, zwei Unterrichtsstunden hatte ich in dieser Hauptschulklasse unter Aufsicht schon gegeben. Es waren ca. 20 Schüler/innen, von denen mindestens die Hälfte nicht zuverlässig deutsch sprach, ein Drittel war im Jahr zuvor sitzen geblieben, es gab zudem Quereinsteiger von der Realschule und die Mädchen kleideten sich um Aufmerksamkeit bemühend. Kurz und gut: In diesem Herbst sortierte sich die Klasse gerade neu.
Der Schulleiter kam am Morgen auf mich zu und bat mich in der dritten Stunde diese Klasse in Mathe zu vertreten. Alleine. Nein, sie hätten keine Mathebücher dabei, aber hier sei deren Buch, dass sie nutzen. „Könnten Sie nicht…?“
Und ich Blödmann sage übermütig zu, setze mich zwei Stunden ins Lehrerzimmer, bereitete eine Stunde vor und gehe gut gelaunt in den Raum, um als Praktikant mit schwer pubertierenden, nicht auf Mathematik vorbereiteten Schülern spontan im Thema weiter zu machen.
Da das Studium bis zu diesem Zeitpunkt staubtrocken und praxisfern war, hatte ich kein Handwerkszeug, sondern nur meine Intuition und etwas guten Willen zu bieten. Alles nicht ausreichend. Nach 25 oder 30min schlugen Südfrüchte an der Tafel neben mir ein. ich kapitulierte und schickte die Klasse auf den Pausenhof.
Unsicher ging ich zum Schulleiter, um zu berichten. Seine Reaktion? „Ja, ok. War nur ein Versuch.“
Erst Jahre später begriff ich, was für eine Frechheit das war.
Am Gymnasium traf ich dann auf einen gelangweilten Mentor und lernte am Bild einer Referendarin die Unterschiede zwischen Alltag und Vorführstunde kennen. Hab ich Unterricht gegeben? Ja, zwei Stunden.
Kurz und schlecht: hätte ich nur aufgrund meiner Praktika (und meines Studiums) entscheiden wollen, ob ich Lehrer werde, wäre ich jämmerlich verloren gewesen.
Wozu Praktikum?
Um die Situation zu verbessern, müsste man überlegen, welche Funktion das Praktikum haben soll.
- Soll es die Theorie des Studiums mit der Praxis verbinden?
- Soll es um Einblicke in den Alltag gehen?
- Soll es die Entscheidung „Lehrer zu werden“ unterstützen oder im ungünstigen Fall aufzeigen, dass es doch nicht das Richtige ist?
- Oder soll die Vorfreude erhöht werden, damit der Student motivierter durch die Uni-Zeit kommt?
Ich glaube, dass es wichtig ist, einen tiefen Einblick in den Lehreralltag zu bekommen, um im Sinne der genannten Fragen, Reflexionsprozesse auszulösen. Die Entscheidung FÜR den Lehrerberuf müsste dabei schon gleich zu Beginn des Studiums qualitativ und bewusster getroffen werden.
Zwei Ideen zum Praktikum
1. Den Praktikanten stärken
2. In der Schule besser organisieren
1. Will man den Studenten stärken, kann man auf die Uni hoffen. Im Rahmen von Bachelor/Master-Umstellung ist da auch einiges im Fluß und die Betreuung nimmt zu.
Zur eigenen Vorbereitung gefällt mir das Buch „Survival-Guide Schulpraktikum“ von Marc Böhmann & Regine Schäfer-Munro (Amazon-Link) sehr gut, weil es eine kleine Struktur liefert und den Fokus schärft: Was erwarte ich, was erwarten andere? Was kann man alles im Praktikum tun, was sollte man (wie) tun? – Mir hätte so ein kleines, günstiges Buch damals sehr gefallen.
2. Es ließen sich in der Schule inhaltliche Vorbereitungen treffen, so dass klar ist, was Praktikanten in der Schule sehen und machen. Auf so ein gemeinsam festgelegtes kleines Konzept könnten sich dann alle Lehrer und der Praktikant berufen. Es listet schlicht die Schritte auf, die der Praktikant in der Schule zu absolvieren hat. (Wer begrüßt? wer ist zuständig? In welchen Unterricht kann oder muss er gehen? Wie viele Stunden gibt ein Praktikant? Wie werden diese vor- und nachbereitet? Wie wird das Praktikum beendet?)
So eine Übersicht dürfte alle Beteiligten entlasten.
Und sonst noch.
Auf Spiegel.de gibt es einen Buchauszug eines Lehrersohns („Immerhin hast du nicht geheult„) und Kubiwahn hat seine erste Praktikumsstunde hier gezeigt.
5 Gedanken zu „Das Praktikum in der Schule“
Ein Praktikum ist ein Praktikum. Nicht mehr, nicht weniger. Auch Praktika in anderen Studiengängen liefern nur einen seichten Einblick in die Realität.
Und mehr muss es auch gar nicht sein. Immerhin haben angehende Lehrer – im Gegensatz zu vielen andern Studenten – nach ihrem Studium noch eine entschieden lange Schonzeit als Referenda.
Ich habe im Studium mit Ausnahme der ersten und letzten Semesterferien studienfachbezogen gearbeitet. Ich habe genau das getan, was alle andern Mitarbeiter taten. Einmal wurde ich sogar allein zum Kunden geschickt.
Kein Grund über das Studium oder unstrukturierte Praktika zu lamentieren.
Es gibt Volkshochschulen, Nachhilfeschulen, private Schulen und Hiwi-Jobs an der Uni. Viele Möglichkeiten, um seine Lehrerfähigkeiten in der harten Realität zu verbessern.
An dieser Stelle wären die Durchfallerquoten nach dem Referendariat interessant. Ich vermute stark, dass praktisch kein Referendar durchfällt. Verglichen mit anderen Studiengängen ist das …
Zudem ist das die Verbeamtung problematisch – wie auch die OECD eindeutig erkannt hat. Nach einer gewissen Wartezeit kann sich jeder schlechte Lehrer sicher sein, sein Einkommen mit Sicherheit jeden Monat zu erhalten.
Insgesamt sind entschieden zu wenig Filter vorhanden, die schlechte Lehramtsstudenten oder Lehrer früh und effektiv aus dem System auszusteuern.
PS: Dieser Artikel spült Grund- und Hauptschullehrern Argument entgegen. GHS-Lehrer werden auf Schulpraxis mit wesentlich mehr Pädagogik vorbereitet – verdienen aber weniger und müssen mehr Stunden unterrichten…
Wie wäre übrigens ein
Praxis für Lehramtsstudenten e.V.
in dem interessierte Studenten Mitglied werden könnten und der ‚Summerschools‘ in den Ferien oder Nachhilfe vermittelt. Für kostenlose oder sehr preiswerte Angebote lässt sich sicher ein Raum-Sponsor finden…
PS: Sehr schön formulierter Artikel!
Naja, gezeigt habe ich nichts. 😉 Aber ich weiß noch, dass ich damals sehr gut betreut wurde. Mein betreuender Uni-Dozent war selbst ehemaliger Lehrer, der sich den realistischen Blick auf das Lehrerleben bewahrt hatte und jahrelang Lehrer ausgebildet hat. Viele der Dinge, die er damals erzählt hat, beherzige ich noch heute und gebe sie, manchmal in denselben Formulierungen, an meine Praktis weiter. Die Betreuungslehrerin war ebenso klasse. Beides enorm wichtig.
Aber witziger Artikel – vor allem der Punkt mit den Südfrüchten. Genauso offen sage ich dir, dass ich über die Referendare, bei denen so etwas erzählt wird, selbstbewusst sage, dass sie im falschen Beruf sind. Andrerseits, du erzählst hier natürlich eine ganz andere Situation.
An unserer Schule bin ich für die Organisation der Praktika zuständig. Und bei der Vergabe von Klassen und Kollegen achte ich schon auf bestimmte Dinge, die die Erstauftritte erfolgreicher gestalten lassen. Die Kollegen helfen da bei uns aber alle mit. Wie du schreibst, genau davon hängt es oft ab.
Die Uni, die hier für uns zuständig ist, hat übrigens ein Konzept ausgearbeitet, mit dem sie die Studis besser begleiten wollen. Grundsätzlich eine gute Idee, wenn das allein schon etwas praxisnäher wäre. Aber es ist und bleibt Uni.
Es gilt bei allem zu bedenken: der Lehrer vor Ort bekommt wenig Arbeitserleichterung für die Betreuung. D.h. er gestaltet es aus nach dem Maße der eigenen Arbeitsbelastung. Und all die Reflexion, Besprechung, Betreuung kostet einfach Zeit.
Existiert bei euch da oben eigentlich ein Praktikumsamt? Hier für die Realschule existiert so etwas und ist, wie ich meine, recht gut organisiert: http://www.realschule.bayern.de/mf/praktikumsamt/
Mir schwebt übrigens für die richtige Lehrerausbildung manchmal noch das alte „Volksschulmodell“ vor: einer, der Lehrer werden will, begleitet einen „echten“ Lehrer mindestens ein Jahr lang und lernt quasi an dem dann das Handwerk. Keine Lehrproben mehr, keine mündlichen-didaktischen Prüfungen in der Praxisphase. Beurteilung über einen längeren Zeitraum hinweg, inklus. Feedback durch Schüler. In kürzerer Form dies dann auch im Studium. Am besten sucht man sich am Anfang des Studiums einen Mentor aus, den man jedes Semester mindestens zwei Wochen lang in der Schule begleiten muss…besser einen ganzen Monat in den Semesterferien (bisschen bezahlt).
@Stephan: ich glaube, dass genug Filter vorhanden sind. Allerdings weiß ich auch, dass es unheimlich schwer fällt, jemandem ins Gesicht zu sagen, dass er nicht geeignet scheint für den Job – und wer kann so etwas mit ausreichender Kompetenz sagen?
@tommdidomm: Das Volksschulmodell klingt interessant!
Die Frage nach der Eignung ist noch einmal eine ganz andere,die sicher nicht im Praktikum entschieden wird.
@Stephan: Referendar und Schonzeit?? Dann leg ich mich fest: du warst keiner. 😉