Derzeit bin ich kein Lehrer.
Im Vergleich des jetzigen Zustands (bei relativ geregelter Arbeitszeit) mit der Schulzeit kann ich eines sicher sagen:
ich hatte als junger Lehrer einen sagenhaft schlechten Umgang mit meiner Zeit.
Und das kam so…
Als junger Referendar sei es „ganz normal“ (sagte man uns), dass man bis tief in die Nacht an Entwürfen feilte, dass man Freunde, Sport und Familie vernachlässige, denn das sei ja das Referendariat. (Mein damaliger Mitreferendar Bjarne hat über die Referendarszeit übrigens ein bissig-amüsantes Buch geschrieben: Zwischen Stuhlkreis & Lehrprobe.) Also arbeitete ich bis tief in die Nacht und war stolz darauf. Denn ich war endlich Referendar.
Dritte Phase
Danach, nach dem Referendariat, kam die Zeit als junger Lehrer. Meine Kollegen sagten mir, dass es „ganz normal“ sei, sich erst einmal alles selbst zu erarbeiten, sich für alle Klassenstufen Materialien, Klassenarbeiten und Ideen auszudenken. Und ich war glücklich, mit dem Vorbereitungsdienst fertig zu sein, selbst und alleine meine Erfahrungen machen zu können. Also arbeitete ich spät Abends, gerne und viel am Wochenende. Es waren auch meine Ansprüche, die mich trieben: jedes Arbeitsblatt, jede Stunde, jedes Material ging immer noch ein Stückchen besser. Ich genoss die Freiheit, „mittags“ (jaja, ok, irgendwann zwischen der 5. und 8. Stunde…) selbst über die Reihenfolge meiner Tätigkeiten entscheiden zu können. Manchmal war ich vom Vormittag in temperamentvollen Klassen auch so durchgenudelt, dass ich zu Hause versucht war, einem 30minütigen Pädagogenkoma nachzugehen.
Routinen
Nach ein paar Jahren war ich einer der jüngsten ein gewöhnlicher Lehrer im Kollegium und entschied mit, was denn „normal“ war. Weil ein wenig, wirklich nur ein wenig Erfahrung setzte ein. Ich durfte ein paar Referendare ausbilden. Denen ich natürlich nichts über einen sinnvollen Umgang mit Zeit erzählte. Meine Begeisterung für „das pralle Leben“ im Klassenraum, für neue Ideen, für „noch ein bisschen besser“ blieb. Es gab rund um die Uhr genug zu tun.
Erahnte Gründe?
Kein Aufbau großflächiger, funktionaler Kooperationsstrukturen. Ein Hang, die 80-20-Regel zu missachten. Keine klare Verortung eines Arbeitsplatzes. Ein Ineinanderfließen von Arbeitsplätzen und -zeiten der unterschiedlichen Lebensbereiche.
Was war der Preis?
Ich war nie fertig: Denn es ging ja immer besser. Es war immer noch etwas mehr möglich, als ich geben konnte. Das Material und die Planungen waren nie fertig und ich sah überall Lücken, was man auch noch obendrauf machen könnte.
Ich war fast immer alleine. Weder auf der Arbeit habe ich ausreichend (und entlastend) mit Kollegen zusammen gearbeitet. Noch zu Hause sah ich Freunde oder Familie oder beim Sport Mitspieler.
Ich hatte zu wenig freie Zeiträume und zu wenig Schlaf: Auch wenn ich es cool fand, bis 0 oder 1Uhr am Schreibtisch zu sitzen und morgens um 6Uhr wieder aufzustehen – zu wenig Schlaf ist verdammt uncool.
Was also ändern?
Lange Arbeitszeit in der Schule. Kein Rückwärts-Einparken, um direkt nach Unterrichtsschluss möglichst schnell vom Hof fahren zu können, wie es einige Kollegen praktizierten. Nein, sondern gelassenes Sitzenbleiben und von 8 bis späten Nachmittag in der Schule. Dort möglichst alles erledigen, besprechen und ansprechbar sein. (Ich scheue mich, hier das Wort „Präsenzpflicht“ in den Mund zu nehmen.) So könnte es, ein Ziel sein, am Wochenende nicht mehr (so viel? gar nicht?) zu arbeiten. Ist das möglich? Ist das realistisch? Und was ist in den Ferien?
Wesentlich mehr Kooperation. Denn es gibt die unterschiedlichsten Kollegien. Eigenbrödlerische, kooperative oder „wir sind dagegen“-Kollegien; fortschrittliche, gut organisierte oder vereinzelte Kollegien und noch viel mehr. Ganz egal, wie es beginnt – es wird nur zusammen eine Entlastung geben. Das wird nicht ohne Vertrauen, Besprechungen und Vorleistung gehen. Ich sehe aber keinen anderen Weg.
Weitestgehende Verlagerung des Arbeitsplatzes in die Schule. Alle Bücher (wenn das schon nicht elektronisch geht) in die Schule. Einen mobilen Rechner für die Arbeit in der Schule. Platz schaffen oder Platz suchen, wo man in Ruhe arbeiten kann. Zur Not eben in einen Klassenraum setzen. (Kein Platz oder kein Geld sind an dieser Stelle Ausreden.)
Beispiele!
Lehrerarbeitszeit-Modelle – ein langes Thema…
Kooperation? Gibt’s an jeder Schule. Hier etwas weniger, dort etwas mehr.
Lehrerarbeitsplätze? Es gibt einige zaghafte Beispiele für Lehrerarbeitsplätze in der Schule: Goethe-Gym-HH, Schweden, Dokumentation Raum Stuttgart. Warum gibt es nicht wesentlich mehr?
2 Gedanken zu „Umgang mit Zeit (oder was ich als Lehrer nie gelernt habe)“
Lehrerarbeitsplätze? Old Fashioned. Lehrerzimmer sind der Prototyp des „CoWorking“ und damit wieder wunderbar hipp 🙂
Ohne die Links verfolgt zu haben: weil’s Geld kostet. Und weil viele Lehrer mittags nach Hause wollen, ist ja nicht umsonst ein beliebter Teilzeitberuf. — Ansonsten: abends arbeiten kam für mich nie in Frage. (Gut, einmal schon, im Referendariat: mit den Kollegen auf den Jahrmakrt, und *danach* noch korrigieren. Das aber mehr um zu beweisen, dass man’s kann.) Abends muss Schluss sein, sage ich meinen Kollegen auch.