Auf dem letzten Kieler Schulleitungssymposium wies Prof. Thiel auf das ihrer Meinung nach zu Unrecht zu wenig beachtete Konzept des academic optimism von Wayne Hoy hin. In einem charmanten Artikel erläutert Hoy seine 40jährige „Odyssee“ hin zum derzeitigen Forschungsstand. Ich stimme Prof. Thiel zu: das Konzept ist noch nicht genug bekannt.
Im Artikel „School characteristics that make a difference for the achievement of all students: a 40-year odyssey“ 1 stellt Wayne Hoy seinen Weg zum academic optimism dar.
Prof. Thiel übersetzte academic optimism mit „Leistungsoptimismus“. (Wie wäre: akademischer oder schulischer Optimismus? Oder trifft es das nicht?)
In aller Kürze meint das Konzept das Zusammenwirken von drei Variablen:
- Kollektive Selbstwirksamkeitserwartung
Hoy beschreibt mit dieser collective efficacy eine Haltung des Kollegiums: „Wir hier in der Schule schaffen das.“ D.h. es herrscht die geteilte Überzeugung, gemeinsam so entscheiden und handeln zu können, dass es einen positiven Effekt auf Schüler hat. - Vertrauen in Schüler und Eltern (collective faculty trust in students and parents)
Vertrauen, so Hoy, setze sich aus 5 Facetten zusammen: Wohlwollen (die andere Person wird mir nicht schaden wollen), Zuverlässigkeit, Kompetenz (Wir vertrauen einer Person leichter, wenn wir der Kompetenz dieser Person vertrauen.), Ehrlichkeit und Offenheit (Offenheit fördert Vertrauen, während Geheimniskrämerei Mistrauen hervorbringt.).
Collective trust is a state in which groups are willing to make themselves vulnerable to others and take risks with full confidence that others will respond in positive ways, that is, with benevolence, reliability, competence, honesty, and openness.
Hoy untersuchte die unterschiedlichen Vertrauensbeziehungen zwischen den unterschiedlichen Gruppen der Schule. Lediglich das kollektive Vertrauen in Schüler und Eltern hat in seinen Studien nachweisliche Auswirkungen auf die Lernleistungen. - Hohe Leistungserwartungen (academic emphasis)
Eine Schule, die hohe Leistungserwartungen hat, betont ihr hohen und zugleich erreichbaren Ziele. Lehrer glauben daran, dass alle Schüler diese Ziele erreichen können und Lehrer und Schüler respektieren die high academic achievers. (Einige würden hierzulande wohl leider „Streber“ sagen…) Lernen und herausragende schulische Leistungen sind hoch angesehen.
Hoys Ansatzpunkt vor 40 Jahren war eine humanistische Grundüberzeugung und die Frage, welche organisatorischen Eigenschaften Schulen zu Lernorten machen, an denen Lehrer gerne Lehrer sind und Schüler gerne lernen. Erst in einem zweiten Schritt kam dann die Frage nach den Lernleistungen hinzu. Bemerkenswert ist, dass dieser academic optimism als geteilte Überzeugung im Kollegium in seinen Studien einen höheren signifikanten Einfluss auf Lernleistungen hat als der sozio-ökonomische Hintergrund der Schüler/innen.
Eine Schule mit academic optimism hat ein Kollegium, das gemeinsam glaubt, dass es einen Unterschied machen kann, dass alle Schülerinnen und Schüler lernen können und dass hohe schulischen Leistungen erzielt werden können. (Hoy, p.85)
Hoy listet in dieser PPT zahlreiche Fragen auf, die nun anstehen: Wer oder was bringt diesen Optimismus in einer Schule hervor? Was sind neben steigenden Leistungen die weiteren Konsequenzen? – Trotz 40 Jahren Forschungsodyssee noch zahlreiche grundlegende Fragen… Ich bin gespannt, ob und ggf. wann dieses Konzept in unserem Sprachraum rezipiert wird.