Kommt man mit Lehrern ins Gespräch oder liest man ihre Texte (hier, hier oder hier z.B), dann scheint eines klar: das jeweilige Bildungsministerium hat von Schule, von der echten Praxis vor Ort mal recht wenig Ahnung oder steuert zuweilen (etwas vorsichtiger formuliert) in eine Richtung, deren Kurs nicht verständlich ist.
Interessanterweise spielt das Bundesland dabei keine Rolle: In jedem Bundesland ist die Zahl derer, die Entscheidungen des Kultus- bzw. Bildungsministeriums gut/ok/passabel/hilfreich finden, nahe der Null.
Spricht man auf der anderen Seite in Bildungsministerien über Schulen, dann überwiegen jene Berichte, in denen…
(Nein. Das erzähle ich hier nicht. Aber…) zwei Fragen stelle ich mir:
- Warum ist das gegenseitige Verständnis nicht ausgeprägter?
- Was könnte man tun, um diesen Graben zu verkleinern?
1. Warum?
Es nervt:
„Dort*1 sitzen die Blöden. Hier*2 sitzen die Guten. Wir wissen, wie es geht. Die wissen es nicht und werden es scheinbar nie lernen.“
Brauchen wir wirklich dieses deutliche Gegenüber um unsere Kräfte zu bündeln?
Es gibt eine staatliche Gesamtverantwortung für die Schulen des Landes. Es gibt dabei keine Entscheidung aus einem Bildungsministerium, die auf 100% Zustimmung stößt. Politischer Streit gehört zu unserem Leben und ist das Salz in der Suppe unseres pädagogischen Handelns. Was mich jedoch stört, ist das wechselseitige offen zur Schau gestellte Unverständnis. „Warum verstehen die*2 nicht, was wir*1 wollen?“
Ein Lehrer weiß in der Regel nicht, wie in einem Ministerium oder einem Landesinstitut Entscheidungen getroffen werden. Der Kontakt ist eher kurz, ein Anruf oder eine Mail eher selten.
Zugleich weiß ein Ministeriumsmitarbeiter nicht, wie das einzelne Kollegium im jeweiligen Bundesland Maßnahmen aufnimmt bzw. welche es wünscht. Nicht zuletzt werden Ministerien geführt durch eine politisch gewählte Hausspitze, die ihre Ziele möglichst lange und gerne auch nach der nächsten Wahl weiterverfolgen will, was kurzfristige Strategie- und Argumentationsänderungen begünstigt.
*1 wahlweise: Kultusministerium/Landesinstitut/Schule.
*2 wahlweise: Schule/Kultusministerium/Landesinstitut
2. Den Graben verkleinern
Ein einfacher Weg: gegenseitiges Wiederkennenlernen durch Praktika.
Die Ministerien und Landesinstitute öffnen sich für einwöchige Praktika für (angehende oder bestehende) schulische Führungskräfte. Wenn die Führungskräfte erleben, wie ein Ministerium arbeitet, entscheidet und umsetzt, wenn sie mit den Menschen darin sprechen, dann gibt es für weitere Gespräche eine breitere Grundlage. Aber auch in der Schule können danach vielleicht bestimmte „Innovationen“, strukturelle Veränderungen oder Entscheidungen besser verstanden, anders kommuniziert und angegangen werden.
Zugleich und mindestens genauso wichtig erscheinen mir regelmäßige einwöchige Praktika ministerieller Führungskräfte in Schulen. Selbst unterrichten, in Konferenzen aufmerksam zuhören, die eingeführten Verfahren selbst durchführen und dabei mit allen schulischen Gruppen informell sprechen.
Ich spreche da aus Erfahrung… Praktikanten, die im Ministerium oder im Landesinstitut mitarbeiteten, wuchs nach ein paar Tagen ebenso besseres Verständnis, wie auch ich (trotz täglicher Gesprächen am Telefon oder in Mails) erst nach mehreren Schulbesuchen die ganze Bandbreite der Wirkung „meines“ Projekts einzuschätzen lernte.
Einfache Sache – wer aufmerksam zuhört, kann besser mitreden.
12 Gedanken zu „Austauschen“
Ich bleibe skeptisch. Ich war in mehreren Arbeitsgruppen am ISB und hatte dort auch mit dem StMUK zu tun. Und wenn ich an die Führungskräfte denke, die ich ich kenne, dann brauchen die alles mögliche, aber keine bessere Kenntnis des Ministeriums. Nicht zuletzt heißt es om bayerischen Kultusministerium… aber das darf ich hier wiederum hier nicht schreiben.
Meine Lösung: Beamtenstatus für Lehrer abschaffen.
Gut, das ist eine sehr weit gehende Forderung, bei der ich gerne mitdiskutiere, wenngleich sie in eine andere Richtung zeigt. Mir geht’s um Austausch, um das Bereitstellen von besser passenden Lösungen für Schulen und eindeutiger artikulierten Forderungen/Wünschen.
Wenn wir über den Beamtenstatus sprechen, sprechen wir über Arbeitshaltung und nicht mehr über den oben genannte „Graben“.
Wenn wir über Beamtenstatus sprechen, dann sprechen wir über eine (verwaltungs-)rechtliche Konstruktion, nicht über Arbeitshaltung. Diese Konstruktion definiert Rechte und Pflichten.
Dass ein verbeamteter Lehrer häufig eine andere Arbeitshaltung annimmt, das mag sein. Ob diese neue Arbeitshaltung jedoch der Sache dienlich ist…
Fraglos ist Verbeamtung ein Fehlanreiz, der den Prozess der Entscheidungsfindung von der Tätigkeit auf persönliche Vorteile umgewichtet. Andreas Schleicher von der OECD meint dazu:
„Ein Arbeitsumfeld, dessen Attraktivität und Ansehen nicht allein auf dem Beamtenstatus beruht, sondern auf Kreativität, Innovation und Verantwortung, ein Arbeitsumfeld, das sich durch mehr Differenzierung im Aufgabenbereich, bessere Karriereaussichten, eine Stärkung der Verbindungen zu anderen Berufsfeldern, mehr Verantwortung für Lernergebnisse und bessere Unterstützungssysteme auszeichnet.“
Quelle: http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Schulsystem/Foerderangebote/Symposium_Uebersicht/Schleicher/
An dieser Stelle sei noch dies berichtet berichtet:
Eine Person, die eigentlich einen handwerklich/gestalterischen Beruf ergreifen wollte, fand nicht unmittelbar einen Ausbildungsplatz in der Nähe des Elternhauses.
Das Argument des Vaters – ebenfalls im Beamtenverhältnis tätig – vor und während der Suche nach einem Ausbildungsplatz: ‚Werde Lehrer. Das ist eine sichere Sache.‘
Ich vermute, dass dieser Sichtweise bei Eltern nicht eben selten ist.
Wir sprechen über Haltung, ja, aber nicht die Arbeitshaltung – mir geht es um die im Ministerium den Lehrern gegenüber. Mit dem ISB habe ich durchweg gute Erfahrungen gemacht, mit den unteren Ebenen des KM auch. Darüber: not so much. Oben hat man weniger Interesse an der Meinung der Lehrer oder auch der untereren Ebenen.
(Aber gegen den Beamtenstatus sprechen, das stimmt, auch ganz andere Gründe.)
Und ich gebe dir völlig recht, dass Lehrer gerne mal an allem etwas auszusetzen haben, wo sie nicht genug Einblicke in Zusammenhänge haben. Das fängt ja schon bei Unterrichtsverteilung und Stundenplan an. (Mitunter gibt es daran auch tatsächlich etwas auszusetzen; ich sage das als jemand, der Einblick in die Zusammenhänge hat.) Und das geht natürlich bei den Zwängen im ISB und Kultusministerium weiter, bei Testkriterien, bei der Gebundenheit an rechtliche Regelungen.
Ich habe direkt mal nach Praktika im Kumi in Bayern geschaut, aber nichts auf Anhieb gefunden.
Auf der einen Seite stimme ich dir zu – ich selbst merke, dass mit der Veränderung hin in die Schulleitung einerseits der Blick für Zusammenhänge größer wird – manche Sachen hatte ich mir leichter vorgestellt, z.B. den vielbeschworene Stundenplan. Gleichzeitig wird aber naturgemäß der Abstand zum Lehrerzimmer größer und manchmal denke ich, dass das für meine Arbeit auch so sein muss an manchen Stellen, denn ich bin eben nicht mehr nur Kollege, sondern auch jemand anderes.
Ob ich die Nähe des Ministeriums wirklich suchen sollte – hm, da bin ich mir nicht sicher. Ich bin froh, viel weiter weg vom Zentrum zu sein als z.B. Herr Rau. Und ich mache auch immer wieder die Erfahrung, dass sowohl im Kumi, wie auch in den Funktionärsriegen der Lehrervertretungen als auch an der Uni unter denen, die Lehrer ausbilden sollen, die Entfernung zur Schulrealität manchmal unüberbrückbar groß ist. Und angesichts der Entfernung frage ich mich, ob das noch gut ist.
Und ich mache das fest an den Stapeln Papier, die bewegt werden müssen für Statistiken etc. Oder an dem Zustand der Verwaltungssoftware. An dem Datenschutz, der an die Schultüren klopft und die tägliche Arbeit in einem Maße erschwert, dass es zum Haareraufen ist.
Und ja, wie Herr Rau sagt, man bekommt zumindestens das Gefühl vermittelt, dass an der eigenen Meinung nicht gelegen ist. Man fragt zwar danach, aber es kommt nie zu einer Rückmeldung. Feedbackbögen, die ich irgendwo ausfüllen soll, gebe ich seit Jahren nur noch leer ab. Auch wenn offizielle Rückmeldungen erbeten werden, im Extrakasten unter dem Formular, weigere ich mich etwas zu notieren. Zwingt mich das Dokument, notiere ich eine 0. Ich bekomme drauf so wenig Rückmeldung wie auf ernsthafte Kommentare.
Und wenn, ganz grundsätzlich, ab einer bestimmten Beförderungsstufe nicht mehr entscheidet, welche Qualifikationen auch wirklich im Zusammenhang mit Bildung oder/und Schule erbracht wurde, sondern durch ja, was auch immer, dann ist da ein Fehler im System.
Auch wenn nicht zum Thema des posts passend: Welche Dinge verkompliziert der Datenschutz?
Einmal ordentlich aufgesetzt, sollte der regelmäßige Aufwand gering sein. Denn neue Prozesse, die vom Datenschutz tangiert werden, dürften doch gar nicht so häufig auftreten.
Welche Möglichkeiten habe ich denn als „einfache Lehrkraft“ direkt mit dem Kultusministerium in Kontakt zu treten? Welche Funktion hat der Dienstweg bzw. wie wird dieser konkret erlebt (Sicht des KuMi, Sicht des Lehrenden)? Wer gibt Änderungen wie den Lehrkräften „bekannt“? In welchem Zeitfenster erhalte ich z.B. bei Fragen kompetente Auskunft von der zuständigen Abteilung der übergeordneten Behörde? Welche Zeitfenster wird Schulen zugestanden bei z.B. der Übermittlung von Statistiken?
Sorry. Das (der Graben) ist m.E. strukturell(!) gewollt bzw. angelegt. Da ist jedes Großunternehmen wesentlich weiter bei der Implementierung alternativer Kommunikationswege. Wenn du fehlende inhaltliche Annäherung und Verständnis beklagst, ist das menschlich völlig verständlich. Der Graben ist aber m.E. strukturell gewollt, z.B. durch den mir vorgeschriebenen „Dienstweg“. Konkretes darf ich öffentlich nicht erzählen oder andeuten, sondern nur das, was eh jeder nachlesen kann – Treuepflicht.
Der Kommunkationsweg „Top-Down“ ist offen und frei gestaltbar. Sage ich jetzt mal so.
@Maik: Und gerade weil deine Kritik grundlegend ist, fände ich mehr gegenseitigen Austausch gut. Als Werbung für die eigene Seite sozusagen.
@Frank&Herr Rau: Beamtumdiskussion ist noch mal etwas ganz anderes.
und in die Runde gesprochen: Interessant ist doch, dass wir eigentlich über mehrere Bundesländer also ganz unterschiedliche Häuser sprechen, oder??
@Timo
Wir sprechen bundesweit über ganz unterschiedliche Häuser – aber wir sprechen auch in Bezug auf das Beamtentum über die vollkommen gleiche Struktur.
Daher wundert mich die fehlende Differenzierung eher weniger. Es gibt bei uns im Land hervorragende Ansätze, Dinge anders zu machen – dabei habe ich vor allen Dingen mein eigenes Landesinstitut (NLQ) vor Augen – da laufen prima Dinge wie z.B. Schulentwicklungsberatung oder auch endlich die Inspektion von Ausbildungsseminaren. Das Problem ist, dass diese Dinge nur sehr wenig bekannt sind, was auch einen Grund hat: Würde das bekannt und in dem notwendigen Maße abgerufen, würden diese Strukturen personell zusammenbrechen.
Ich erlebe das als medienpädagogischer Berater tagtäglich – ich könnte den Job mittlerweile auch in Vollzeit machen…
Die Änderung, das Kommunikationsangebot MUSS in dem momentanen System top-down kommen und zwar auf einem offiziellem Kanal mit der Möglichkeit von Anonymität. Das ist ein vergleichweise überschaubares Projekt und sehr leicht zu implementieren (inkl. dem behördlichen Overhead dürfte sowas innerhalb eines Jahres realisierbar sein).
Wenn man es wollte, bestimmt…
Und warum sollte ich wollen wollen, wenn das im Grunde niemand will, dass ich will :o)… Schulverwaltungsstrukturen erlebe ich oft als eine feste Burg.