Muss ich als Schulleiter eine Krawatte tragen?

Schlips, Krawatte, Binder oder Fliege –
muss ich als Schulleiter soetwas tragen?

Das engt mich doch ein. Das stört das Denken. Das habe ich als Lehrer noch nie getragen. Damit fühle ich mich unwohl. Ich bin doch im Herzen Pädagoge, da brauche ich keine Verkleidung. Es wirkt so steif. Die Kleidung schafft eine Distanz. (undsoweiter…)

Gründe oder Ausflüchte, keine Krawatte oder gar Anzug und Krawatte zu tragen, gibt es genug. Ich trage dennoch beides jeden Tag.

Jaja, früher. Früher war alles anders. (Vor 11 Jahren war sogar der Untertitel eines Buches „warum ich keine Krawatten trage“ 4,1MB-PDF) Da ging man als Lehrer in die Schule und dann waren – wenn es nicht der Tag der mündlichen Abiturprüfung war – Pulli, Jeans und bequeme Schuhe kein Problem.

Doch als Schulleiter sehe ich das inzwischen anders. Ich trage jeden Tag Anzug und Krawatte.

Jeder Tag ein Fest.

Krawatte als Schulleiter„Müssen Sie wirklich jeden Tag einen Schlips tragen??“ fragen Schüler dann und wann. Nein, muss ich nicht. Niemand muss das. Ich antworte dann gern, dass wir hier jeden Tag ein Fest haben, dass ich mich aus Freude über die vielen schönen Dinge bewusst anziehe. Wenn ich auf eine Party gehe, dann ziehe ich mich für die anderen gerne besonders an. Mein Gegenüber ist mir nicht gleichgültig, also achte ich darauf, nicht ungepflegt herumzulaufen. Es ist Teil der Party, dass wir uns alle angemessen anziehen.

Ich bin ein anderer.

„Das ist doch Verkleidung, das schafft doch Distanz.“ Man kann das negieren oder ignorieren. Aber es ist nun mal so: als Schulleiter ist man nur noch ein wenig Lehrer und zugleich Dienstvorgesetzter. Man ist ein anderer, man muss Kollegen in bestimmten Verfahren beurteilen, zuweilen auch ermahnen. Man ist kein regulärer Lehrer mehr, man ist ein anderer. Durch die Kleidung drücke ich das aus.

Haltung, Baby!

In Anzug und Krawatte stehe ich selten oder gar nicht mit krummem Rücken vor einer Gruppe. In Anzug und Krawatte flätzt man sich nun einmal weniger in einen Stuhl.
Eine angemessene Kleidung wirkt auch auf den Träger zurück. Ich bewege mich in einem Anzug anders, als wenn ich Kapuzenpulli trage. Und als Schulleiter wirkt man „vor allem durch das Beispiel seiner eigenen Arbeit.“ (§3 Lehrerdienstordnung SH)
Es steht jedem Lehrer frei, sich anzuziehen, wie er oder sie mag. (Die alten Kollegiumsfotos zeigen übrigens, dass sich auch die Kleidung der Lehrkräfte stark wandelt. Früher trugen nahezu alle Lehrer Anzug und Krawatte….)
Wir sollten ehrlich sagen, dass es auch eine Wirkung der Kleidung auf Schüler, Eltern, Kollegen gibt. (s. auch den lesenswerten NZZ-Artikel.)

Krawatten als Argumentverstärker.

Kleider machen Leute. Und wer eine Krawatte trägt, wirkt damit. In bestimmten Gesprächen hat die Kleidung eine Wirkung, ist es eine Verstärkung des Gesagten. Warum das verschweigen?

Muss ich nun also als Schulleiter eine Krawatte tragen?

Nein. Es ist alles eine eigene Entscheidung. Man kann als Schulleiter so in die Schule gehen, wie man sich persönlich wohl fühlt.  Um ein Beispiel zu bringen: Schleswig-Holstein hat einen der schillerndsten Schulleiter, was Kleidung angeht (Er ist Punk!). Der macht einen exzellenten Job, seine Schule mag ihn. Seine Kleidung ist bewusster Ausdruck einer Haltung.
Die Entscheidung, wie ich mich als Schulleiter kleide, sollte bewusst erfolgen.

5 Gedanken zu „Muss ich als Schulleiter eine Krawatte tragen?

  1. Wie habe ich das eigentlich in den letzten 22 Jahren als Grundschulleiter gemacht?
    Wie so oft in der Schule liegt die vermeintliche Lösung nicht unbedingt in den Extremen, in den schwarz oder weiß Lösungen, sondern dazwischen.
    Die ersten Jahre meiner Schulleiterzeit war ich grundsätzlich mit Krawatte in der Schule. Die damaligen Entscheidungsträger, alles altehrwürdige Honoratioren der Stadt, wohnten in unmittelbarer Schulnähe und kamen gerne mal unangemeldet auf einen Kaffee beim neuen (jungen) Schulleiter vorbei. Und die sollten doch meine 4 und 5stelligen Finanzierungswünsche positiv entscheiden. Ganz großes Schauspiel war angesagt.
    Außerdem stand der damalige Schulrat zur Aussage „An den Hals eines Schulleiters gehört eine Krawatte.“ Manche alteingesessenen Kollegen hatten angeblich ein Abkommen mit der Schulamtssekretärin und eine Krawatte in der Schreibtischschublade. Bei manch Schulratsbesuch entstand so eine modische Kuriosität, weil die Krawatte absolut nicht zum Rest passte.
    Meine Krawatte verschwand dann mehr und mehr, weil ich das Gefühl hatte, dass sie die Beziehung zu den Kindern, besonders den neuen bei der Anmeldung und dann im ersten Schuljahr negativ in eine Richtung belastete, die nicht meinem Verständnis von Schulleitung entspricht.
    Tja, und heute? Heute wird die Krawatte seit Jahren schon zweckgebunden eingesetzt. Werden maulige Eltern erwartet, kommt sie an den Hals. Auch bei Besuchen der Politiker nach wie vor. Jubiläen, Entlassungen verstehen sich sowieso.
    Ich lasse sie dort weg, wo sie eine von mit erwünschte vertraute Stimmung verhindert und sie kommt an den Hals, wenn ich die Distanz zum Gesprächspartner haben möchte. Offizielle Anlässe verstehen sich von selbst.
    Sie ist zu einem Steuerungsobjekt für das Gesprächsklima geworden.
    Und wie ist es eigentlich mit dem DU im Kollegium? Da lässt sich einmal ausgesprochen nichts mehr variieren.

  2. Danke für den Kommentar, der noch einmal eine historische Dimension hinzufügt. Der Wandel ist wirklich interessant. (Krawatten in der Schublade der Sekretärin… Köstlich!)
    Über das DU und das SIE im Kollegium und dem Schulleitungsteam lohnt es sich auch nachzudenken.

  3. Ich finde es erstaunlich, wie stark ihr Drang nach Darstellung ist. Für mich passt das aber ins Gesamtbild, denn ich frage mich seit langem, woher heut zu Tage noch die Motivation kommt, Schulleiter zu werden…

  4. schade, dass die angegebene Mailadresse falsch ist. so muss ich hier antworten.

    Danke für den Kommentar.
    Gründe, warum man Schulleiter werden will, sind vielfältig. Ich hab es gemacht, weil ich Schule gestalten will und weil mich die Übernahme von Verantwortung reizt. In diesem Schuljahr ist das etwas viel und die Fülle an Aufgaben ist immens mehr geworden. Dennoch: es liegt eine tiefe Freude im gelingenden Gestalten. Wer glaubt, man könne sich in der Person eines Leiters nur sonnen und sonst nichts tun, wird scheitern.
    Dennoch: natürlich steht man als Schulleiter oft „vorne“ vor anderen, muss Reden halten, muss Entscheidungen treffen (und verantworten, obwohl nie alle zufrieden sind) – in diesem Themenkomplex ist es von Vorteil, wenn man „damit klar kommt“, gesehen und gehört zu werden.
    Der Drang nach Darstellung ist im Blog, den Sie gelesen haben, seit über einem Jahr etwas erlahmt. Aber auch im Blog ist es so, dass ich über die Dinge, die ich tue, gerne öffentlich diskutieren, anregen und streiten mag.

    Was denken Sie, woher könnte die Motivation kommen, Schulleiter zu werden?

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