Als Schulleiter gute Laune behalten

Zum Jahresbeginn ein kurzer Anruf beim Schulträger:
zwei kleinere Problemchen klären und Small-Talk zum Gesprächsende. „Behalten Sie auch in diesem Jahr Ihre gute Laune!“ sagte er und wir legten auf.
Wie geht das eigentlich: als Schulleiter die gute Laune behalten, optimistisch bleiben? Erstaunlich, dass das überhaupt ein Thema ist.

Denn als Schulleiter gibt es doch täglich viele tolle Dinge zu erleben.

Hat man als Schulleiter nicht einen besonders schönen Beruf?

Ja, hat man. Als Schulleiter darf man viele schöne Dinge erleben, in besonderen Momenten dabei sein (und dabei immer vorne sitzen, wenn man will!), strahlende Gesichter bestaunen, so viele Premieren sehen und noch viel mehr. Oft gehe ich mit exzellenter Laune und einem Lächeln aus der Schule, weil der Tag wieder so voller, bestaunenswerter Erlebnisse war.

Eine struktureller Erklärungsansatz

Aber es gibt eben auch reichlich herausfordernde Situationen und Entscheidungen als Schulleiter: ein heftig eskalierter Streit unter Schülern, knifflige Haushaltsfragen, Personalengpässe, auch zuweilen Trauriges, menschlich Schwieriges.

Als Schulleiter erfährt man aus meiner Sicht vor allem strukturell von den schlimmsten, schwierigsten, krassesten Fällen. Denn die kleineren Fälle, die werden sofort im Klassenzimmer durch die Fachlehrer besprochen. Dann machen die Klassenlehrer einen tollen Job, indem sie mit Eltern und Elternvertretern vorausschauend kommunizieren oder bei Unstimmigkeiten beruhigend einwirken. Außerdem gibt es ja auch noch die Stufenleitungen / Koordinatoren, die unterstützen, beraten und einige Konferenzen leiten. Erst dann, wenn es nicht mehr weiter geht (ok, manchmal auch sprunghaft), kommt der Schulleiter ins Spiel. Ich erfahre also meist „als letzte Eskalationsstufe“ von einem Problem. Das ist dann in der Regel ein größeres.

Dann gibt es „diese Tage“ oder „diese Woche“…

Manchmal kommen dann bestimmte Sachen geballt aufeinander. Diese Ballung mag an unterschiedlichen äußeren Einflüssen liegen. Liegt es an einer Jahreszeit? Ist es vor den Ferien? Oder es ist schlicht Zufall?
Jedenfalls kommt es dann vor, dass an einem Tag mehrere schwerwiegende Fälle auflaufen. Jeder einzelne Fall dauert dann eine Stunde oder etwas mehr. Klingt erstmal nicht viel. Ist aber: Gespräche hier und dort. Kurz Gedanken machen, vielleicht etwas Nachlesen. Ein Schreiben dazu anfangen. Ein Telefonat mit einer wichtigen Person dazu führen. Ggf. Entscheidungen herbeiführen oder delegieren. Wieder ein paar Gespräche dazu. Das Schreiben beenden oder in Auftrag geben. Notieren, ob nachgehakt werden muss.
Tja, dann also Tage, wo drei oder vier solcher dicken Brocken anfielen. Nahezu parallel. Dazwischen zwei Stunden Unterricht, hier noch etwas Kribbeliges zwischen Kollegen und eine eilige Anfrage. Einfach gerade zu viel auf einmal. Gefühltes Chaos um mich, in mir und ZACK! ist es plötzlich da:

Genervt! ich und gute Laune? – Pfff…

Bei mir lief die Erkenntnis dann so: Im Sekretariat gibt es ein kleines Eisfach, das randvoll meistens gut mit Eis gefüllt ist. Eis hilft immer. Kühlt das Gemüt. Schokoeis. Zitrone-Buttermilch. Himbeere. Egal! Hauptsache: Eis. Aber an diesem Tag half nicht einmal Eis und ich stapfte in mich hineingrummelnd ins Lehrerzimmer. „Da es ja heute schon der x-te Vorfall war, haben ja sicher alle in der Schule ebenfalls schlechte Laune! Ok, dann grummeln wir halt alle im Lehrerzimmer vor uns hin und ich grummel da jetzt mit! So!“

Womit ich aber nicht gerechnet hatte, war ein freundlich lächelnder Kollege, der mir über den Weg lief und kurz mit mir plauderte, als sei NICHTS gewesen! Ja, hatte der es denn gar nicht gemerkt, was hier für ein CHAOS gerade ist??

Raus aus dem eigenen Karussell

In dem Moment wurde mir klar, dass das gefühlte, ja: nur gefühlte Chaos bei mir lag. Der freundliche Kollege wusste nichts von diesen Dingen. Warum auch? Manche Probleme bleiben in einer Klasse oder einer Stufe – und so für einzelne Personen kaum wahrnehmbar. Also konnte er nicht ahnen, wie es mir gerade ging, weil mir zufällig drei deftige Probleme so einige schwere Fragen aufwarfen. Es war mein ganz eigenes Gedanken-Karussell, in dem ich mich gerade drehte. Da kann man die CD vom Corssen noch so oft gehört haben, manchmal tappt man dann doch in die Falle.

Nur in deinem Kopf

Der Stress, die Laune wird nicht durch das Außen gemacht. Das bin ich ja selbst.
Also – nur durch Selbstreflexion, Beobachtung des eigenen Denkens, das aufmerksame Beachten meiner momentanen Verfassung, kann ich aus dieser Schleife aussteigen. Ich kann nicht erwarten, dass ein Eis, ein Kaffee, eine Person oder Magie die Laune von außen mal eben ändert.
Wenn es also so ein besonders „heißer“ Tag ist, dann schüttel ich mich mental, bevor ich mein Büro verlasse. Im Kollegium, unter den Schülern oder Eltern weiß keiner, was gerade im Schulleiter-Büro los war. Einmal, zweimal atmen. Gerade hinstellen. Kurzer relativierender Gedanke, zum Beispiel: „Wenn sich gerade ein oder zwei Schüler extrem fehl verhalten haben, wie viel Prozent der Schüler haben sich dann gerade nicht so verhalten und einfach nur die Schule besucht? – Wohin blickst du?“ Die Schultern senken. Atmen. Gesichtszüge entspannen. Rausgehen.

Denn der nächste Kollege, der nächste Schüler, den ich treffe, der könnte ja gute Laune haben.
…und da will ich  angemessen reagieren können.

Ein Gedanke zu „Als Schulleiter gute Laune behalten

  1. Die SL-Situation ist schön beschrieben! Aber ob das Atmen und Gesichtszüge Entspannen hilft? Manches Mal bedarf es etwas Zeit – und gut ist ein körperliches Abreagieren. Ich habe mir manches Mal einen Punchingball im SL-Zimmer gewünscht. Aber vielleicht helfen auch ein paar Liegestütz oder eine schnelle Runde durch die frische Luft.
    Auf jeden Fall ist das Unterdrücken von Ärger auf Dauer ganz schlecht für die Gesundheit. Und die brauchen wir dringend für unser Geschäft!

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