Denn Lehrermangel hin oder her – es werden ja doch immer wieder Lehrer eingestellt! Im guten Fall habe ich nach der Ausschreibung eine satte kleine Auswahl, so dass ich mehr als eine Bewerberin, einen Bewerber zum Auswahlgespräch einladen kann. (Auch mit nur einem Bewerber gibt es ein Auswahlgespräch!) Die Einladung kommt per E-Mail und pro Bewerber nehmen wir uns eine halbe Stunde Zeit. Im Auswahlgremium sind üblicherweise:
- Vertreter örtlicher Personalrat
- Gleichstellungsbeauftragte
- Fachvertreter und/oder stv. Schulleiter
- Schulleiter
In jedem neuen Verfahren versuche ich die Sitzordnung und das Drumherum besser zu machen. (Nennen wir es bloß nicht „Ambiente“.) Aber es bleibt eine künstliche Situation. – Wenn sich Bewerber vor ihrer offiziellen Bewerbung die Schule als Interessenten angeschaut haben, ist das Händeschütteln gleich ein Wiedersehen. Ansonsten: Begrüßung, Hinsetzen, los geht’s!
Die Fragen liegen ausgedruckt auf jedem Tisch. In der Regel führe ich das Gespräch, aber alle anderen Anwesenden sind auch beteiligt.
Was wollen wir eigentlich mit diesem Gespräch?
Das Ziel ist klar: Wir wollen durch das Gespräch herausfinden, ob der Bewerber oder die Bewerberin fachlich und menschlich in unsere Schule passt: Wie arbeitet sie in den eigenen Fächern? Welche Ansichten hat er über unsere Schulform? Wie spricht sie über Schüler? Wie arbeitet er mit anderen zusammen?
Welche Abschnitte gibt es im Gespräch?
Warm werden – Inhaltliche Arbeit – zur Person. Das sind die drei Abschnitte. In jedem Abschnitt gibt es eine unterschiedliche Anzahl von Fragen.
Mit den ersten einzwei Fragen im Warm werden wird gestartet, soll der Bewerber ankommen. (Schluck Wasser trinken, atmen, lächeln, Gespräch läuft.) Und auch die Auswahlkommission will ins Gespräch und in das Kennenlernen einsteigen.
Der große mittlere Abschnitt dreht sich dann um Inhalte. Mir persönlich geht es dann um Ansichten & Ideen zu den unterrichteten Fächern und zu allgemeinen pädagogischen Fragen. Vielleicht haben wir in einem Fach ein bestimmtes Vorgehen und dann ist die Meinung (die ja nicht mit unserer Meinung übereinstimmen muss!) des Bewerbers interessant. Ist das, was er vertritt vielleicht ein neuer Blick, eine Anregung? In weiteren allgemeinen pädagogischen Fragen wollen wir auch wissen, ob es passen könnte oder ob das Gesagte so vollkommen gegen unsere schulischen Prinzipien spricht, dass wir lieber nicht zusammen arbeiten sollten.
Im dritten Teil, der gar nicht so lang ist, möchte ich gern noch mehr von der Person wissen. Vielleicht bringt sie etwas mit, was unsere Schulgemeinschaft (über den Unterricht hinaus) bereichert? Was macht die Person, wenn sie spontan reagieren muss? Stimmt die Chemie? Dieser dritte Teil ist schwer messbar und natürlich gelten für uns Landesbedienstete die „Bestenauslese“ und zahlreiche (einklagbare!) rechtliche Vorgaben, an die wir uns natürlich stets halten. Zugleich ist es bei gleicher rein fachlicher Qualifikation möglich, weitere Aspekte in das Urteil einfließen zu lassen.
Was sind typische Fragen?
Es geht im ersten Abschnitt eigentlich immer mit einer Selbstvorstellung los:
Bitte stellen Sie sich kurz vor.
Bitte beschreiben Sie kurz, an welcher Schule Sie zur Zeit in welchen Fächern unterrichten und welche Tätigkeiten Sie in der Schule außerdem ausüben.
Warum sind Sie Lehrer(in) geworden?
…
Im zweiten Abschnitt dann Fachfragen.
Ein Schüler kommt ständig zu spät in den Unterricht. Wie gehen Sie vor, um das zu ändern?
In unserer Schule gibt es sehr viel Leseförderung. Nennen Sie Ihre Ansätze zur Leseförderung.
Haben Sie Erfahrungen mit Kooperationen zu Partnerschulen in anderen Ländern? Wie würden Sie solche Partnerschaften aufbauen?Auf welche Weise nutzen Sie Medien im Unterricht?
In Klasse 7 gibt es folgenden Konflikt: … Sie sind Klassenlehrerin. Was tun Sie jetzt?
Eine Mutter aus Ihrer Klasse ruft an und will dringend ein Gespräch über einen Kollegen führen, weil … Wie reagieren Sie?
Der Übergang von 10 nach 11 ist im Fach Mathematik nicht immer leicht. Nennen Sie grundsätzliche Aspekte, was Sie als Fachlehrer für die Schüler/innen tun können.
Ein Kind versteht eine Aufgabe auch nach mehrmaligem Erklären nicht. Woran kann es liegen?
…
im dritten Abschnitt möchte ich einen kleinen Blick auf die Person werfen.
Wofür interessieren Sie sich noch? Welche Themen, die über den regulären Unterricht hinaus gehen, können Sie in unsere Schule einbringen?
Nennen Sie eine Farbe, die Sie mit Ihrem Unterricht assoziieren.
Welche neue Idee haben Sie zuletzt in Ihrer ehemaligen Schule eingebracht? Wie sind Sie vorgegangen?
Welche Geschichten erzählt der Fotokopierer Ihrer derzeitigen Schule, wenn er sprechen könnte?
…
Und wie geht es weiter?
Nach unserer Fragerunde kann auch der Bewerber, die Bewerberin Fragen stellen. Denn ich finde es gut, wenn es echte Fragen sind, die wirkliches Interesse an der Schule zeigen, die eine Vorbereitung auf unsere Schule zeigen. Wir beantworten in der Kommission diese Fragen, sie sind aber nicht mehr offizieller Teil der Auswahlentscheidung.
Dann erfolgt der zeitliche Ausblick (wann entscheiden wir uns?) und die Verabschiedung. (Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist…) Im besten Fall sehen wir uns dann einige Wochen später mit einem Stück Papier in der Hand und einem kräftigen Händedruck und beidseitigem Lächeln wieder…
PS: für künftige Bewerber/innen an meiner Schule lautet der Titel dieses Beitrags: „Welche Fragen stellTe ich Lehrern im Auswahlgespräch?“ 😉