Das Buch hier ist eine „Zumutung“ – und zwar im besten Sinne: Stefan Ruppaner mutet uns den Mut zu, Schule grundlegend anders zu denken.
Stefan Ruppaner ist der ehemalige Schulleiter der Alemannenschule Wutöschingen, einer (achwas: der) vielbeachteten Schule unserer Zeit. Die Schule selbst hat so einiges vom Kopf auf die Füße gestellt und zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u.a. den dts. Schulpreis. Mit seinem Buch „Das könnte Schule machen“ (Co-Autorin ist Anke Willers) legt er eine sehr persönliche und mutmachende, inspirierende Darstellung seines beruflichen und des schulischen Weges vor. Bereits ab Anfang (Ruppaner liegt mit Bier an einem Fernsehabend auf seiner Couch) wird klar, dass hier einer ohne große Zurückhaltung über die Erfahrungen, Irrtümer und Erfolge schreibt und dazu einlädt, sich von seiner Begeisterung anstecken zu lassen.
Schnell wird klar, dass es nicht um einzelne Unterrichtsmethoden geht, sondern um eine grundsätzliche Haltung: Lernen statt Belehren, Vertrauen statt Misstrauen, Freiräume statt starrer Vorgaben. Mit viel Humor und Ehrlichkeit berichtet er von den ersten Gehversuchen, vom Scheitern und Wiederaufstehen, vom enervierenden Kampf mit ministeriellen Stellen. Gerade diese Offenheit macht das Buch so authentisch. Und ich fragte mich an manchen Stellen: könnte ich das auch? Hätte auch ich so viel Kraft, so viel Durchhaltevermögen, so viel innere Überzeugung?
Diese Lektüre macht auch noch Spaß
Ein wiederkehrendes Element des Buches sind die zahlreichen Anekdoten aus dem Schulalltag. Mal zum Schmunzeln, mal zum Nachdenken – Stefan Ruppaner schafft es, vor dem inneren Auge Momente aus Klassenzimmer, Lehrerzimmer und Schulflure lebendig werden zu lassen. Die Schülerperspektive wird ebenso lebendig eingefangen wie die Sichtweisen von Eltern, Kolleginnen und Kollegen oder Politikern. (und einmal auch Hartmut Rosa) Zwischen den Texten sind die Zitate angenehme Abwechslung.
In der Darstellung verschweigt Ruppaner auch schwierige Situationen nicht und zeigt, wie er mit Beharrungsvermögen, etwas Dickfelligkeit und frecher Energie, Konflikte konstruktiv lösen (oder aussitzen) konnte.
Besonders spannend sind die Passagen, in denen er darlegt, dass Veränderung nicht nur eine Frage des Geldes ist, sondern vor allem der Haltung und Bereitschaft aller Beteiligten. Ich fühlte mich ertappt, wie er mit heißem Herzen vors Kollegium trat und erst einmal Ablehnung erntete. „Die ganze innere Auseinandersetzung, die in den Wochen und Monaten (…) durchgemacht hatte, kannten sie ja noch nicht.“ Oder an anderer Stelle: „Vielleicht war ich zu weit gegangen? – Kurz darauf habe ich mich entschuldigt.“ (für vermeintliche fast-Stasimethoden, wie einzelne Kolleg/innen fanden…)
Viele der (inzwischen ein wenig bekannten) markigen Sprüche finden sich natürlich auch im Buch. Höchst amüsant sein Umgang mit Kritikern in einem Kapitel. Der mehrfache Aufbau: Was ich hörte. Was ich dachte. Was ich dann sagte.
Schulentwicklung ist immer individuell
Ruppaner erzählt seine Geschichte nicht belehrend, sondern einladend. Er bietet zahlreiche Praxisbeispiele aus seiner Schule – in der Mitte des Buches illustriert durch 15 farbige Fotos – und doch wird klar: es gibt kein Rezept, jede Schule muss ihren ganz eigenen Weg finden. (Hier z.B. ein Bericht über einen Schulbesuch aus dem hohen Norden.) Dennoch ist ihm eine Sache unhintergehbar: Schule muss sich öffnen, um der Vielfalt der Lernenden und ihrer Lernwege gerecht zu werden. Ich mag, wie er dabei immer wieder Brücken zwischen Theorie und Praxis schlägt – und doch humorvoll, augenzwinkernd auf seine erst späten Zugänge zur Theorie einstreut.
Schule befindet sich beständig im Wandel (5€ in die Phrasen-Spardose) und doch liegt genau darin die Chance. Er ruft dazu auf, sich von starren Denkmustern zu lösen, Freiräume zu finden, zu nutzen, im Team zu arbeiten und gemeinsam zu wachsen. Beim Lesen wächst das Gefühl, persönlich ermutigt zu werden, selbst aktiv zu werden. An manchen Stellen hörte förmlich mein Inneres „Ja, ich weiß doch…“ – während ich mich nicht mehr traute, das „…aber“ laut aussprechen. Auf mögliche Einwände geht Ruppaner am Ende ausführlich ein. – Trotz allem: weit hinten am Horizont leuchten helle Ziele und doch ist der Weg kein leichter.
Fazit
„Das könnte Schule machen“ ist eine Lektüre für alle, die sich für Bildung und Schulentwicklung (don´t call it „Unterrichtsentwicklung“, wenn du Ruppaner triffst ;-)) interessieren – egal ob, Lehrkräfte, Eltern oder Schulleitungen. Auch bildungspolitisch Engagierte finden hier wertvolle Impulse, wie sie mit Schulen zusammenarbeiten und gemeinsame Projekte realisieren können. Stefan Ruppaner zeigt auf eindrückliche und humorvolle Weise, wie man Schule neu denken kann und wie so ein Weg aussehen kann. Seine Offenheit, seine Ehrlichkeit und seine zahlreichen Anekdoten machen das Buch zu einem inspirierenden Begleiter für Menschen, die im Bildungssystem etwas bewegen möchte.
230 Seiten (achja: mit einem Nachwort von Reinhard Kahl, der bald einen Film über die Schule veröffentlichen wird) kosten im Paperback 18€. Made my Wochenende und inspiriert für die nächsten Monate und vielleicht mehr!